Warum exportiert Bayer Pflanzenschutzmittel, die in der EU verboten sind?
Immer wieder ist zu lesen, Hersteller von Pflanzenschutzmitteln würden unverantwortlich handeln, weil sie Mittel, die in der EU verboten sind, weiter produzieren und ins Ausland exportieren. Doch was heißt überhaupt verboten? Was würde im globalen Süden ohne diese Pflanzenschutzmittel passieren? Wäre es vertretbar, sie nicht mehr zu exportieren?
Wann sind Pflanzenschutzmittel verboten?
Grundsätzlich sind in der EU alle Pflanzenschutzmittel verboten – es sei denn, es liegt eine Zulassung vor. Das klingt trivial, doch eine Zulassung muss aktiv beantragt werden und gilt befristet: Eine Erstgenehmigung gilt in der Regel höchstens zehn Jahre und Erneuerungen jeweils 15 (mehr dazu hier). Wird kein Antrag oder kein Verlängerungsantrag gestellt, ist ein Mittel also automatisch verboten. Ein Verbot sagt daher nichts über die Sicherheit eines bestimmten Produkts aus. Denn für viele Produkte wird kein Antrag gestellt, weil für sie in der EU kein Bedarf besteht – etwa, wenn die Pflanzen, die sie schützen sollen oder die Schädlinge, die sie bekämpfen sollen, in Europa nicht vorkommen.
Strenge Zulassungsvorschriften außerhalb der EU
Zudem sind Pflanzenschutzmittel im Ausland nicht einfach frei verfügbar. Auch dort gibt es Zulassungsbehörden, die die Mittel bewerten und zulassen, bevor sie vermarktet werden können. Die Beurteilungen dieser Behörden spiegeln die spezifischen agronomischen Bedingungen der jeweiligen Länder wider und stellen keinen, wie von vielen NGOs vorgeworfen, sogenannten Doppelstandard dar. Zum Beispiel verfügt das immer wieder ins Feld geführte Land Brasilien über strenge Zulassungsbestimmungen. Zahlreiche in Brasilien nicht zugelassene Pflanzenschutzmittel sind in der EU durchaus zugelassen, weil sie in Europa aufgrund unterschiedlicher Bedingungen benötigt werden und in Brasilien nicht. Dazu zählen etwa die Fungizide Iprovalicarb, Penflufen und Spiroxamin sowie das Insektizid Tefluthrin.
Eine Welt ohne Pflanzenschutzmittel?
Würde man den Forderungen von Aktivisten nachkommen und die Herstellung und den Export der von ihnen aufgelisteten Pflanzenschutzmittel verbieten, wären die Landwirte des globalen Südens binnen kurzer Zeit nicht mehr in der Lage, ihre Familien, ihre Dörfer und die städtischen Zentren ihrer Länder mit ausreichender Nahrung zu versorgen. Auch die Einnahmen durch Exporte von Kakao, Kaffee, Tee, Gewürzen, Südfrüchten und exotischen Lebensmitteln würden einbrechen.
Wirksame und sichere Pflanzenschutzmittel sind in diesem Zusammenhang von zentraler Bedeutung, da sonst ein großer Teil der Ernte durch Schädlinge oder Unkräuter vernichtet werden würde. Wie sollen ohne wirksame Insektizide Heuschreckenplagen oder das epidemische Auftreten des Herbst-Heerwurms verhindert werden, der sich seit seinem Sprung über den Atlantik innerhalb weniger Jahre von Afrika über Asien bis nach Japan und Australien ausgebreitet hat und die Ernährungssicherheit von mehreren hundert Millionen Menschen bedroht? (s. auch: „Anderes Klima, andere Pflanzen, andere Schädlinge")
Auch ein Verbot von Herbiziden wäre kontraproduktiv. Herbizide gehören zu den Mitteln, die in Plantagen unverzichtbar sind, auf denen wirtschaftlich wichtige Pflanzen wie Tee, Kaffee oder Kakao angebaut werden. In tropischen Klimazonen sind beispielsweise Teeplantagen in kürzester Zeit von Stauden und Buschwerk überwuchert, wenn aufkommender Bewuchs nicht umgehend entfernt wird. Manuelle Unkrautbekämpfung ist aufwändig und teuer und damit für die Landwirte kaum umsetzbar. Unterwuchs ist dabei nicht nur störend, sondern gefährlich, weil beispielsweise Teepflücker von Giftschlangen bedroht sind, die sich im Gestrüpp verstecken.
Ähnlich sieht es mit Reis aus: Ein Verzicht auf Herbizide würde den Wasserverbrauch für den Reisanbau deutlich in die Höhe schrauben. Reis wächst sehr langsam und wird daher schnell von Unkraut überwuchert. Daher wird er seit etwa 5.000 Jahren im Nassanbau kultiviert, obwohl er keine Wasserpflanze ist. Dies ist die einzige Möglichkeit, das Unkraut zurückzudrängen. Der Einsatz von Herbiziden ermöglicht es Reisbauern, Wasser zu sparen – eine Ressource, die in Zeiten des Klimawandels immer knapper wird.
Wir sehen an Beispielen wie Sri Lanka, das 2021 sämtliche chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel verbot, welche verheerenden Folgen solche pauschalen Maßnahmen haben. Es kam zu katastrophalen Ernteeinbußen bei heimischen Sorten ebenso wie bei den ökonomisch wichtigen Teepflanzungen, zu Hunger und gewaltsamen Protesten. Das Verbot ist mittlerweile wieder zurückgenommen.
Anderes Klima, andere Pflanzen, andere Schädlinge
Kahlgefressene oder durch Pilzbefall verrottende Felder kennen wir in Europa nicht mehr, weil Landwirte hierzulande jahrzehntelange Expertise im Pflanzenschutz aufgebaut haben und entsprechende Lösungen für die hier auftretenden Probleme verfügbar sind. Zudem liegt Europa in einer gemäßigten klimatischen Zone und hat, gemessen an tropischen und subtropischen Zonen, einen geringeren Schädlingsdruck. In den südlichen Ländern der Welt sieht das anders aus:
Gesundheit und Insektizide
Menschen in Südamerika, Afrika und Asien sind von Tropenkrankheiten wie Dengue, Chikungunya, Gelbfieber, Malaria, Zika, der Schlafkrankheit oder dem Medinawurm bedroht. Ohne Insektizide, die die Überträger bekämpfen, sind diese Krankheiten kaum im Zaum zu halten.
Ein weiteres gesundheitliches Problem kommt hinzu: Pflanzen mit Fraßschäden werden an den verletzten Stellen sehr schnell von Schimmelpilzen befallen. Diese Schimmelpilze bilden Gifte, die die Leber schädigen und Krebs verursachen. Geraten sie in die Nahrungskette, drohen ernsthafte Gesundheitsprobleme. Die Bekämpfung von Schadinsekten ist also auch Gesundheitsschutz.
Selbstverpflichtungen von Bayer
Es gibt auf allen Kontinenten klare staatliche Regelungen und darüber hinaus auch internationale Regelwerke, die Bayer strikt befolgt oder sogar übertrifft. So verkauft Bayer bereits seit 2012 keine Pflanzenschutzmittel mehr, die von der Weltgesundheitsorganisation als besonders toxisch („Tox 1“) eingestuft werden. Seit 2016 hat Bayer sich freiwillig dazu verpflichtet, nur solche Pflanzenschutzprodukte zu vertreiben, deren Wirkstoffe in mindestens einem OECD-Land registriert sind. Zudem setzt Bayer derzeit die 2019 angekündigte Selbstverpflichtung um, in Entwicklungsländern nur noch Pflanzenschutzprodukte zu vermarkten, die den regulatorischen Anforderungen einer Mehrheit renommierter internationaler Zulassungsbehörden entsprechen. Dazu zählen die USA, Kanada, Brasilien, die EU, Australien, Neuseeland, Japan und China.
Wir machen zahlreiche Trainings in südlichen Ländern zum sicheren Gebrauch von Pflanzenschutzmitteln. In den vergangenen Jahren waren dies regelmäßig mehr als eine Million Trainings pro Jahr. Alle zugelassenen und von uns verkauften Wirkstoffe sind sicher für Mensch und Umwelt, wenn sie gemäß der Anwendungshinweise verwendet werden. Wenn wir Hinweise erhalten, die auf einen nicht sachgemäßen Gebrauch hindeuten, gehen wir diesen Hinweisen nach.
Weitere Informationen zur Sicherheit von Pflanzenschutzmitteln finden Sie hier.
Eine Frage der Verantwortung
Schon jetzt sehen wir am Beispiel der durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verschärften Ernährungskrise, wie fragil die globale Ernährungssicherheit ist. Ein weitreichendes Verbot des Exports von Pflanzenschutzmitteln würde die angespannte Situation zusätzlich verstärken. Denn um die spezifischen Herausforderungen in den verschiedenen Regionen der Erde zu meistern, brauchen Landwirte entsprechende Möglichkeiten. Exportierten wir ausschließlich Pflanzenschutzmittel, die in der EU zugelassen sind, würden wir Millionen von Landwirten viele der Mittel vorenthalten, die sie für die Bedingungen vor Ort benötigen. Das würde die Lebensgrundlage dieser Landwirte und Kleinbauern sowie ihrer Gemeinden gefährden.
Hinzu kommt: Im Jahr 2050 werden wir ungefähr zehn Milliarden Menschen auf der Welt sein. Gleichzeitig müssen wir zum Schutz von Klima und Umwelt mit weniger Flächen und Ressourcen auskommen.
Daher halten wir es nicht nur für gerechtfertigt, sondern vielmehr für geboten, entsprechende Pflanzenschutzmittel in die Länder zu exportieren, die sie brauchen – vorausgesetzt die beschriebenen Kriterien sind erfüllt und das Produkt ist vor Ort zugelassen.
Weitere Informationen zu unserer Position finden Sie hier: