Führt Gentechnik zu einem steigenden Verbrauch von Pflanzenschutzmitteln?

A close up of a field of corn.

Gegen grüne Gentechnik wird oft eingewendet, sie habe nicht zu einer Reduktion von Pflanzenschutzmitteln, sondern zu einem steigenden Verbrauch geführt. In der Tat ist dies eine der umstrittensten Fragen, mit denen die landwirtschaftliche Biotechnologie konfrontiert ist.

Mittlerweile gibt es zahlreiche Studien aus Fachzeitschriften mit Peer Review, die dieser Frage nachgehen. Dabei handelt es sich zum einen um Einzelstudien anhand von Verkaufs- und anderen Statistiken, Feldstudien, Umfragen usw. und zum anderen um Metastudien, die eine Vielzahl von Einzelstudien auswerten. 

 

Eine Metaanalyse von 147 Originalstudien zu den agronomischen und ökonomischen Auswirkungen von gentechnisch veränderten Pflanzensorten kam 2014 zu dem Schluss, dass deren Einführung den Einsatz von Pestiziden um 37 Prozent reduzierte – bei gleichzeitiger Steigerung des Ertrags um 22 Prozent und der Gewinne um 68 Prozent. Im Fokus standen herbizidtolerante Sojabohnen, Baumwolle und herbizidtoleranter Mais sowie insektenresistenter Mais und insektenresistente Baumwolle. Ertragssteigerungen und Reduktion des Pestizideinsatzes waren bei insektenresistenten Nutzpflanzen größer als bei herbizidtoleranten Nutzpflanzen. Die Autoren kamen zu dem Schluss: „Die Meta-Analyse zeigt robuste Beweise für den Nutzen von GV-Pflanzen für Landwirte in Industrie- und Entwicklungsländern.“ 

 

Daten aus Nordchina, die in einem Zeitraum von 1990 bis 2010 erhoben wurden, zeigen darüber hinaus, dass beim Einsatz von Bt-Pflanzen vor allem der Einsatz von Breitspektrum-Insektiziden zurückging. Dieser Rückgang unterstützt die Erhaltung von nützlichen Insektenpopulationen, die zu naturbasierten Kontrolle von Schadinsekten, Befruchtung und anderen Umweltleistungen beitragen können und damit Ansätze des integrierten Pflanzenschutzes unterstützen. 

 

Eine weitere Studie aus dem Jahr 2020 zeigt, dass der Anbau von Gentechnik-Sorten mit Insekten- oder Herbizidresistenz den Einsatz von Pestiziden von 1996 bis 2018 um 776 Millionen Kilogramm (8,6 Prozent) reduzierte. Diese Menge entspricht dem 1,6-fachen des gesamten jährlichen Pflanzenschutzmitteleinsatzes in China. Diese Studie kombiniert eine Analyse der vorhandenen Literatur sowie Statistiken aus zahlreichen Ländern zu Anbaupraktiken auf Betriebsebene und Daten zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. 

 

Die Wahrheit liegt wie so oft nicht bei pauschalen Aussagen. Eine neue Übersicht des gemeinnützigen Center for Science in the Public Interest (Zentrum für Wissenschaft im öffentlichen Interesse) betont, dass die Auswirkungen gentechnisch veränderter Nutzpflanzen auf den Einsatz von Pestiziden von Fall zu Fall betrachtet werden müssen: Berücksichtigt werden müssen Substitutionseffekte und deren Auswirkungen auf die Nettotoxizität von Pflanzenschutzmitteln ebenso wie andere Faktoren, wie etwa Resistenzprobleme oder der Halo-Effekt. Dieser 2012 erstmals beschriebene Effekt beschreibt die Beobachtung, dass Bt-Pflanzen Schädlingspopulationen nicht nur auf den Bt-Pflanzenfeldern, sondern auch auf den benachbarten Nicht-Bt-Pflanzenfeldern unterdrücken können. 

 

Herbizide

Beim Anbau von Pflanzen, die durch gentechnische Eingriffe herbizidtolerant gemacht wurden (vor allem Glyphosat-tolerante Mais-, Baumwolle- und Sojasorten), hat sich die Art der verwendeten Herbizide verändert: Der Einsatz von Glyphosat ist dadurch selbstverständlich deutlich gestiegen, der von akut toxischeren Herbiziden wie zum Beispiel Atrazin und 2,4, D bei allen entsprechenden Kulturen hingegen zurückgegangen. 

 

Das zeigen auch Daten des US-Landwirtschaftsministerium (United States Department of Agriculture): Während 1968 noch Atrazin (38 Prozent) und 2,4-D (17 Prozent) die am häufigsten verwendeten Herbizide waren, machte im Jahr 2008 Glyphosat 50 Prozent aus. 

 

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine groß angelegte, repräsentative Stichprobe auf Parzellenebene von US-amerikanischen Mais- und Sojabohnen-Anbaubetrieben. Untersucht wurden die Jahre 1998 bis 2011. Die 2016 publizierte Studie zeigte, dass beim Anbau von Glyphosat-toleranten (GT) Sojabohnen 28 Prozent (0,30 kg/ha) mehr Herbizide ausgebracht wurden als bei Nichtanwendern. Bei Glyphosat-tolerantem Mais waren es allerdings geringfügig weniger (1,2 Prozent bzw. 0,03 kg/ha) Herbizide als bei Betrieben, die keinen Glyphosat-resistenten Mais anbauten. 

 

Allerdings zeigen die Ergebnisse auch, dass sich der Unterschied im Herbizideinsatz zwischen GVO- und Nicht-GVO-Anwendern im Laufe der Zeit deutlich verändert hat. Sowohl bei Sojabohnen als auch bei Mais setzen Gentechnik-Anwender im Vergleich zu Nicht-Anwendern zunehmend mehr Herbizide ein. Das geschätzte Muster der Veränderung des Herbizideinsatzes im Laufe der Zeit korreliert mit dem Auftreten von Glyphosat-resistenten Unkräutern.

 

Die bereits erwähnte Studie von 2020, die die Umweltauswirkungen von gentechnisch veränderten Sorten über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren (1996 bis 2018) untersucht, kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Gentechnik-Sorten zur einer Veränderung des Profils der verwendeten Herbizide führte: Eine breite Palette von meist selektiven Herbiziden gegen Gras- und breitblättrige Unkräuter wurde durch ein oder zwei Breitspektrumherbizide (meist Glyphosat) ersetzt, die in Verbindung mit kleinen Mengen von spezifischer wirkenden Herbiziden eingesetzt wurden. Über alle Kulturen ergab sich in dieser Studie sogar eine Gesamtreduzierung sowohl der Menge der ausgebrachten Herbizidwirkstoffe – jeweils verglichen mit dem Einsatz von Herbiziden bei konventionellen Kulturen. 

 

Auch diese Studie konstatiert, dass dort, wo Glyphosat-resistente Gentechnik-Pflanzen in großem Umfang angebaut wurden, Fälle von Unkrautresistenz gegen Glyphosat aufgetreten sind, die in einigen Regionen zu Problemen geführt haben. Ursache solcher Resistenzen sind mangelndes Resistenzmanagement, das heißt zu häufiger Einsatz oder auch kein Wechsel der Bekämpfungsstrategien und Pflanzenschutzmittel. Das sind Probleme, wie sie auch aus der Medizin bekannt sind, wo ein zu häufiger oder falscher Einsatz von Antibiotika zur Ausbildung von Krankheitserregern mit Resistenzen führt. Beispiele aus anderen Ländern, wie zum Beispiel Mexiko, in denen beim Anbau von Herbizid-resistenten Gentechnik-Sorten Resistenzmanagement betrieben wurde, zeigen, dass unter solchen Umständen kaum resistente Unkräuter selektiert werden. 

 

Diese Zunahme des Herbizideinsatzes bzw. die Entstehung von Resistenzen wird von Gegnern der Gentechnik dennoch oft als Versagen der Technologie angeführt. Neben der beschriebenen Ursache (fehlendes Resistenzmanagement) ist bei der Gesamtbetrachtung aber auch zu berücksichtigen, dass die Menge des Herbizideinsatzes bei konventionellen Kulturen im gleichen Zeitraum ebenfalls zugenommen hat und das Umweltprofil des Einsatzes von Herbizid-resistenten Gentechnik-Pflanzen im Vergleich zum konventionellen Anbau nach wie vor eine Verbesserung darstellt. Im Übrigen waren Resistenzprobleme bei konventionellen Herbiziden in den 1990er Jahren einer der Gründe, warum die Glyphosat-toleranten Pflanzen damals von Landwirten so schnell akzeptiert wurden.

 

Insektizide

Die bereits erwähnte Studie auf Parzellenebene kommt zu dem Schluss, dass US-Betriebe, die insektenresistente Gentechnik-Sorten anbauten, 11,2 Prozent (0,013 kg/ha) weniger Insektizide einsetzten als Betriebe, die konventionelle Maissorten anbauten. Zudem verringerte sich der Insektizideinsatz auf den Feldern mit Gentechniksorten im Lauf des Beobachtungszeitraums. Er fiel von 0,2 kg/ha im Jahr 1998 auf etwa 0,05 kg/ha im Jahr 2011, ein Rückgang um 75 Prozent.  

 

Die ebenfalls bereits erwähnte Studie von 2020 kommt zu dem Schluss, dass der Anbau von insektenresistenten Gentechniksorten bei Baumwolle besonders viel Insektizide einsparen konnte: 28.800 t (-25,9 Prozent) in den USA, 139.000 t (-30,9 Prozent) in China und 137.200 t (-30,4 Prozent) in Indien / inkl. Australien und Südamerika 331.000 t). Baumwolle ist eine Kultur, bei der traditionell besonders häufig Insektizide eingesetzt werden. Beim Mais betrugen die Rückgänge 81.600 t (-53,8 Prozent) in den USA, 26.600 t (-92 Prozent) in Brasilien und 680 t (-36,5 Prozent) in Spanien. Global betrugen die Wirkstoffeinsparungen durch die Verwendung von insektenresistenten Gentechniksorten im Jahr 2018 bei Mais 8,3 Mio. kg (-82 Prozent) und bei der Baumwolle 20,9 Mio. kg (-55 Prozent) – im Vergleich zu den Mengen, die zu erwarten gewesen wären, wenn diese Anbauflächen mit konventioneller Baumwolle bzw. Mais bepflanzt worden wären. Kumuliert wurden weltweit seit 1996 112.400 t weniger Insektizid-Wirkstoffe bei Mais und 331.000 t weniger Insektizid-Wirkstoffe bei Baumwolle eingesetzt.
Bei den seit 2012 angebauten insektenresistenten Gentechnik-Sojasorten betrug die Einsparung beim Insektizidwirkstoff in den sechs Jahren weltweit 14.900 t (-8,2 Prozent) 

 

Ähnliche Effekte werden auch in anderen Ländern beobachtet. Eine Ende 2020 erschienene randomisierte Fallkontrollstudie aus Bangladesh zeigt, dass Landwirte, die insektenresistente Gentechnik-Auberginen (in Asien als „Brinjal“ Grundnahrungsmittel) anbauen, geringere Mengen (-28,2 Prozent) und weniger toxische Insektizide einsetzten. Bt Brinjal reduzierte die Toxizität der verwendeten Mittel um 63,5 Prozent, 71,5 Prozent bzw. 76,1 Prozent (ermittelt für Umwelt, Anwender und Konsumenten). 

 

Ein Nebeneffekt des Anbaus von insektenresistenten Gentechnik-Sorten ist nicht nur der Rückgang der Menge an ausgebrachten Insektiziden sowie des Rückgangs ihrer schädlichen Umweltauswirkungen, sondern auch die Möglichkeit, gegen Insekten, die nicht auf das von den Pflanzen gebildete Bt-Protein reagieren, Insektizide mit hoher Spezifität einzusetzen. Dadurch wird der Einfluss auf Nicht-Zielarten verringert.

 

Ein zusätzlicher Vorteil, der z. B. beim Bt-Mais in den USA sowie Bt-Baumwolle in den USA und China beobachtet wurde, ist die flächendeckende Unterdrückung wichtiger Schädlinge. Dies reduziert den Schädlingsdruck und die Kosten für den Pflanzenschutz für alle Betriebe in demselben Gebiet erheblich, das heißt auch Betriebe, die konventionell ohne Gentechnik oder sogar Bio anbauen, profitieren von den insektenresistenten Gentechnik-Sorten.

 

Zu dem gleichen Schluss kommt eine australische Studie. Dort profitierten die Betriebe, die konventionelle Baumwolle anbauten, nach der Einführung der mit Gentechnik erzeugten insektenresistenten Baumwollsorten vom regionalen Rückgang der Populationen von Helicoverpa armigera and H. punctigera ¬der beiden Arten, gegen die das Bt-Protein der gentechnisch veränderten Baumwolle wirkt. Sie konnten ihren Insektizideinsatz daher ebenfalls reduzieren. Selbst die Erzeuger von Gemüsen wie Paprika, grünen Bohnen und Zuckermais, für die es keine gentechnisch veränderten Sorten gibt, konnten einen Rückgang der genannten beiden Schädlingsarten beobachten, der auf die Einführung von Bt-Pflanzen in den umliegenden Betrieben zurückgeführt werden kann. Dabei bleiben die Populationen von Nicht-Ziel-Insekten, die in der Regel Nützlinge sind, erhalten und können wiederum zur biologischen Kontrolle beitragen, indem sie die Populationen von Schadinsekten in Schach halten.

 

Erwähnt werden sollten an dieser Stelle weitere positive Effekte. Gentechnik kann zum Klimaschutz beitragen, weil höhere Erträge pro Hektar den Landverbrauch reduzieren und pflugarme Bodenbearbeitung Kraftstoff spart und dazu beiträgt, Kohlenstoff im Boden zu binden. Zudem führt weniger Schädlingsbefall auch zu gesundheitlichen Vorteilen, weil Pflanzen mit Fraßstellen oft von Pilzen befallen werden, die krebserregende Gifte produzieren. Dies ist vor allem bei Mais ein großes Problem

 

Ein gänzlich neuer Ansatz, der auch von Bayer verfolgt wird, besteht in der Nutzung der RNA-Interferenz. Dabei werden RNA-Moleküle verwendet, die gezielt Gene von Schadinsekten oder -würmern ausschalten können.