Was passiert, wenn man auf Glyphosat verzichtet?

Als Antwort auf diese Frage gibt es ein sehr anschauliches Beispiel aus Sri Lanka. Die dortige Regierung verbot im Jahr 2015 den Einsatz von Glyphosat.
Die Folgen für die Ernten waren massiv: Beim Tee-Anbau – Sri Lankas Exportprodukt Nummer eins – wurden die Plantagen so stark von Unkraut überwuchert, dass sie kaum noch bewirtschaftet werden konnten. Die finanziellen Verluste sowohl für die Tee-Produzenten als auch für die Kleinbauern betrugen nach Angaben des Ceylon Tea Board in den ersten anderthalb Jahren nach dem Verbot etwa 100 Millionen US-Dollar.
Nachdem Landwirte mangels Alternativen auf ältere, in Europa und Japan verbotene Unkrautbekämpfungsmittel umstiegen, drohten Exportverbote in diese Länder.
Die Ernteverluste betrafen auch andere Nutzpflanzen. Die Maisproduktion ging 2016 um 20 Prozent zurück, bei Chili waren es 24 Prozent, bei Linsenbohnen 31 Prozent und bei Fingerhirse 55 Prozent. Beim Reisanbau wurden ohne Glyphosat zusätzliche Flutungen notwendig. Dadurch stieg der Wasserverbrauch um 20 Prozent.
Ohne Glyphosat wuchs das Unkraut so schnell, dass auch eine manuelle Bekämpfung nicht mehr Schritt halten konnte. Im dichten Bewuchs breiteten sich einem Medienbericht zufolge zudem Giftschlangen in einem solchen Ausmaß aus, dass Plantagenarbeiter die Arbeit verweigerten.
2017 analysierten Wissenschaftler der Universität Matara in Sri Lanka die Auswirkungen des Experiments in ihrem Land ohne Glyphosat. Ihr Fazit lautete: „Das Verbot von Glyphosat als ein kostengünstiges Instrument für Landwirte zur Unkrautbekämpfung hat den Nutzpflanzen-Sektor in eine Katastrophe geführt.“
Die Konsequenz: Im Juli 2018 hob die Regierung von Sri Lanka das Glyphosat-Verbot für einen Zeitraum von 36 Monaten wieder auf, aber beschränkte die Verwendung auf Tee und Kautschuk. Im August 2019 wurde Ausnahmen für den Anbau weiterer Nutzpflanzen verfügt. Quelle
Am Ende November 2021 wurden sämtliche Beschränkungen aufgehoben; zugleich teilte das Büro des Präsidenten von Sri Lanka mit, dass das Importverbot von Glyphosat dazu geführt hatte, dass rund ein Drittel der Anbauflächen Sri Lankas in der laufenden Anbausaison aufgegeben werden mussten. Quelle
Allerdings teilte das Agrarministerium nur einen Tag später mit, das partielle Verbot sei wieder in Kraft getreten. Quelle
In Mexiko, wo die Regierung Ende 2020 ein Totalverbot ab Januar 2024 beschlossen hat, gehen Agrarexperten davon aus, dass die Ernteerträge durch dieses Verbot um bis zu 40% zurückgehen werden, was die Lebensmittelpreise in die Höhe treiben und den Zugang zu Lebensmitteln für einkommensschwache Verbraucher erschweren wird. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ps.6362?af=R
Auch zahlreiche Städte und Gemeinden in Deutschland haben aktuell beschlossen, auf den Einsatz von Glyphosat zu verzichten. Was dieses Experiment für konkrete Auswirkungen in den jeweiligen Städten haben wird, ist noch völlig offen. Es gibt erste Berichte, dass zum Beispiel auf einem Friedhof in Deggendorf (Bayern) ohne Glyphosat über kniehohes Unkraut geklagt wird.
In Gießen bekämpft man anderen Berichten zufolge Unkraut jetzt mit 95 Grad heißem Wasser.
Die Stadt Zwickau wiederum, die bis 2018 im Schnitt ca. 180 Liter Glyphosat pro Jahr im Stadtgebiet verwendet hatte, beschloss im August 2018 auf Glyphosat zu verzichten. Stattdessen werden nun mechanische und thermische Unkrautbekämpfung und Pelargonsäure-haltige Mittel eingesetzt. Dafür fallen nach Angaben des Leiters des Zwickauer Garten- und Friedhofsamts Mehrkosten in Höhe von etwa 500.000 Euro pro Jahr an. Nötig sind sechs zusätzliche Personalstellen sowie neue Geräte. Für letztere hat der Finanzausschuss des Stadtrates mittlerweile 260.000 Euro bewilligt. Die neuen Stellen wurden bislang nicht genehmigt.
Der neue Arbeitsaufwand in Zwickau ist beträchtlich: Statt eines Arbeitsschritts wie zuvor sind jetzt bis zu acht nötig. Pelargonsäure muss sechsmal im Jahr eingesetzt werden; bei Glyphosat reichte ein Einsatz pro Jahr.
Auch aus Braunschweig liegen erste Erfahrungen vor. Dort nutzte die Stadt bislang sechs Glyphosat-haltige Mittel zur Bekämpfung von Unkräutern auf insgesamt acht Hektar städtischer Fläche. Seit Juni 2018 verzichtet die Stadt darauf. Daraufhin wurde zunächst für 20.000 Euro aus öffentlichen Mitteln ein Spezialgerät zur Unkrautbekämpfung aus den Niederlanden angeschafft. Zudem wurden für 115.000 Euro fünf neue Stellen für Gartenarbeiter geschaffen. Mittlerweile zeigt sich, dass zur Unkrautbekämpfung weitere Stellen nötig sind, für die die Stadt nun zusätzlich 300.000 Euro im Haushalt veranschlagt.
Wie teuer der Verzicht auf Glyphosat ist, lässt sich nicht allgemein sagen. Wissenschaftler des Julius-Kühn-Instituts haben 2016 berechnet, dass der Verzicht auf Glyphosat bei günstigen Bedingungen (Befahrung des Ackers möglich, keine Bodenerosion) zu zusätzlichen Kosten von bis zu 40 Euro pro Hektar und pro Jahr führt.
Unter ungünstigen Bedingungen können die zusätzlichen Kosten ohne Glyphosat deutlich höher ausfallen, in Höhe von 55 bis 89 Euro pro Hektar bei Verzicht auf Glyphosat zur Stoppelbearbeitung in winterungsbetonten Fruchtfolgen sowie von bis zu 93 Euro je Hektar bei Verzicht auf Glyphosat zur Vorsaatbehandlung.
In Frankreich geht der Verband der Weizenerzeuger (AGPB) in einer jüngsten Berechnung davon aus, dass bei einem Verzicht auf Glyphosat für die Landwirte bis zu 160 Euro höhere Betriebskosten pro Hektar durch die mechanischen Alternativmethoden sowie Ernteverluste bei den Folgekulturen entstünden. Das Pariser Institut für Pflanzenbau (Arvalis) beziffert den Arbeitsmehraufwand bei den wichtigsten Ackerkulturen auf insgesamt 12,7 Millionen Stunden pro Jahr und den zusätzlichen Diesel-Verbrauch für den Betrieb der Pflugmaschinen auf ca. 87 Millionen Liter im Jahr.