Schadet Glyphosat der Biodiversität?

Flower strip in a field

Wichtig ist zunächst einmal: Jede Form von Landwirtschaft beeinträchtigt die Biodiversität auf der genutzten Fläche. Wo Kartoffeln, Weizen oder Mais wachsen, kann nicht gleichzeitig eine blühende Wiese Insekten Nahrung spenden.

So stellte das Panel for the Future of Science and Technology (STOA) des Europäischen Parlaments 2019 fest: "Die landwirtschaftliche Flächennutzung ist unweigerlich mit einem Verlust an biologischer Vielfalt verbunden. Bewirtschaftungstechniken wie der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln haben per definitionem negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, aber dieser Verlust wird durch den höheren Flächenverbrauch in extensiven Produktionssystemen bei weitem übertroffen." (Quelle)

 

Auch die Bearbeitung des Bodens mit dem Pflug oder das Abflämmen von Unkraut beeinträchtigt die Biodiversität. In beiden Fällen werden Beikräuter, die für Insekten und andere Tiere nützlich sein könnten, ebenso beseitigt wie Insektenlarven sowie die Nester und Bauten von Hummeln, Erdbienen, Bodenbrütern und anderen Bodenlebewesen.

 

Auf die Vielfalt von Bestäubern hat Glyphosat in der deutschen Landwirtschaft schon deshalb keinen negativen Einfluss, weil es in den allermeisten Fällen zu Zeitpunkten eingesetzt wird, an denen auf dem Acker ohnehin nichts blüht: Die Anwendung erfolgt im Herbst nach der Getreide- und Rapsernte, oder im Frühjahr, bevor Landwirte Zuckerrübe, Kartoffeln oder Mais säen. Eine Anwendung bei lagerndem Getreide verbunden mit Durchwuchs vor der Ernte ist in Deutschland nur noch in definierten Ausnahmefällen erlaubt.

 

In puncto Bodenkonservierung und CO2-Ausstoß macht es hingegen einen großen Unterschied, ob Landwirtinnen und Landwirte ihre Felder regelmäßig pflügen oder den unerwünschten Pflanzenbestand mit Glyphosat behandeln. Die Produktion des Breitbandherbizids ist zwar recht CO2-intensiv. Aber durch den Einsatz wird das Dreifache an CO2 wieder eingespart. Wer alternativ einen Traktor mit Pflug zur Bodenbearbeitung einsetzt, erhöht nicht nur die Erosionsgefahr des Bodens, sondern erzeugt auf gleich zwei Arten Treibhausgasemissionen: durch den erheblich höheren Aufwand des Verbrennungsmotors und weil Pflügen CO2 aus dem Boden freisetzt.

 

Neben der gezielten Kontrolle von Problemunkräutern ist Glyphosat daher auch ein systemrelevantes Herbizid für die Mulch- und Direktsaat. "Neben arbeitswirtschaftlichen und ökonomischen Aspekten", schreibt die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), "ist das Hauptziel dieser Produktionstechnik die Vermeidung bzw. Reduzierung von Bodenerosion und Abschwemmung von Nährstoffen und PSM-Wirkstoffen." Die LfL schätzt das mittlere Erosionspotenzial auf Ackerflächen in Bayern auf etwa 3,9 t/ha im Jahr und hat errechnet, dass der aktuelle Anteil der Bodenleben-schonenden Mulch- und Direktsaat, die durch Glyphosat ermöglicht wird, bei etwa 25 % der Ackerfläche liegt.

 

Die LfL schreibt weiter: "Bei einem kalkulierten Erosionspotenzial bei konservierender Bodenbearbeitung von ca. 1,6 t/ha im Jahr wird das Erosionsrisiko in Reihenkulturen dadurch um ca. 15 % oder um 1,1 Mio. Tonnen Oberbodenmaterial reduziert." Zudem ergibt sich durch die Mulch- und Direktsaat allein in Bayern eine Einsparung vom Dieselverbrauch von ca. 1,2 Mio. Liter im Jahr, was einem CO2-Aquivalent von jährlich rund 3225 Tonnen entspricht.

 

Ein positiver Nebeneffekt der Erosionsvermeidung ist auch eine Verringerung der Belastung von Gewässern mit Nährstoffen und ggf. Wirkstoffresten, die in den betroffenen Gewässern ökologische Schäden anrichten können.

 

Für Bodenbrüter, wie Rebhuhn, Wiesenpieper oder Feldlerchen ist der Pflugeinsatz schwierig, denn er zerstört die Gelege. Von der Bodenruhe bei Mulch- oder Direktsaat profitieren Bodenbrüter hingegen
 

Schadet Glyphosat Bestäubern?

Bis heute gibt es keine unter realistischen Bedingungen durchgeführte Studie, die einen Zusammenhang zwischen Glyphosat und einer Schädigung der Gesundheit von Honigbienenvölkern nachweist.

 

Daran ändert auch eine im Jahr 2018 veröffentlichte Studie nichts. Diese verknüpft den Einsatz von Glyphosat mit Problemen der Darmflora bei Honigbienen, ohne zu belegen, dass diese angeblichen Effekte sich tatsächlich unter realistischen Bedingungen negativ auf die Gesundheit von Bienenvölkern auswirken könnten. Fraglich ist auch, ob die getesteten Konzentrationen des Mittels im Freiland tatsächlich von Bienenvölkern über relevante Zeiträume aufgenommen werden können.

 

Ähnliches gilt für eine Studie an Hummeln, die 2022 eine gestörte Thermoregulation durch Glyphosat berichtete. Allerdings wurden die Tiere über einen längeren Zeitraum mit unrealistisch hohen Dosen Glyphosat gefüttert, die in der Natur im Übrigen dazu führen würden, dass die Futterpflanzen binnen Stunden absterben.

 

Eine Studie von 2021, die bei Hummeln eine hohe Toxizität von Glyphosat-haltigen Produkten bei Kontaktexposition feststellte, ergab auch, "dass der Wirkstoff Glyphosat nicht die Ursache für die Sterblichkeit ist." Ursächlich waren Netzmittel, die vermutlich das Gasaustauschsystem der Insekten außer Kraft setzen.

 

Regulatorische Studien zur Zulassung von Pflanzenschutzmitteln basieren dagegen auf den strengen internationalen Richtlinien der OECD und anderer internationaler Organisationen und gewährleisten damit die Berücksichtigung sämtlicher Eckpunkte, die für den Schutz von Honigbienen relevant sind.
 

Schadet Glyphosat Wasser-organismen?

Im März 2022 wurde durch die Europäische Chemikalienagentur ECHA die aktuelle Gefahreneinstufung von Glyphosat erneut bestätigt, wonach der Stoff für Wasserorganismen – wirbellose Tiere wie Wasserinsekten ebenso wie Wirbeltiere, d.h. Fische, Frösche und Kaulquappen – giftig ist. Daher gelten strenge Anwendungsbeschränkungen in der Nähe von Gewässern. Die Toxizität für Wasserorganismen trifft auf viele Pflanzenschutzmittel zu, auch auf solche, die im Biolandbau eingesetzt werden. Die dort verwendeten Kupferpräparate, Rotenon, Pyrethrum-Extrakte sowie Neem-Extrakte (Azadirachtin) gelten alle als "sehr giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung".

Vorteile

Glyphosat hat Landwirten die Möglichkeit der Mulch- oder auch Direktsaat ohne Pflugbearbeitung ermöglicht. Bei der Direktsaat (No-till farming) wird der Boden permanent nicht bearbeitet, bei Mulchsaat oder reduzierter Bodenbearbeitung (Mini-till farming or reduced tillage) nur minimal. 

 

Eine kürzlich veröffentlichte Studie aus Großbritannien ermittelte über einen Zeitraum von drei Jahren, dass die Zahl der Feldvögel auf Feldern, die mit No-Till oder Mini-Till angelegt wurden, im Winter um 1000 % höher sein kann als auf konventionell angelegten Flächen. Zu den Arten gehörten insekten- und körnerfressende Vögel wie Feldlerche, Wiesenpieper, Bekassinen und Rebhühner. 

 

Ursache ist nach Ansicht der Ökologen die günstigeren Winterfutterressourcen, die mit Min-Till- oder Direktsaatverfahren verbunden sind, bei denen die Nahrung auf oder nahe der Oberfläche bleibt. Auch die Zahl der Regenwürmer war durchweg höher als auf Vergleichsflächen, die mit dem Pflug bearbeitet wurden, da organisches Material an der Oberfläche verbleibt und der Lebensraum der Tiere nicht durch den Pflug zerstört und umgebrochen wird. Die Studie wurde von der Sustainable Farming Initiative (SFI) und Syngenta Conservation Agriculture auf zwei landwirtschaftlichen Betrieben über drei Jahre durchgeführt und vom National Institute of Agricultural Botany und dem Game & Wildlife Conservation Trust unabhängig verwaltet und überwacht. 

 

"Eine höhere Vogelaktivität ist ein sehr positiver Indikator für die Artenvielfalt auf Feldern mit konservierender Landwirtschaft", betonte sie.

 

Die Vorteile einer No-Till-Landwirtschaft für den Boden zeigen Forschungen der Washington State University. Zusammengefasst wird empfohlen, den Boden so zu bewirtschaften, dass die organische Substanz in den oberen fünf bis acht Zentimetern des Bodens konzentriert ist. Dein eine ungeschützte Bodenoberfläche, die von Regenwasser getroffen wird, bricht bald zusammen und bildet eine Kruste, die die Wasserinfiltration verringert und Abfluss und Erosion verursacht. Bei starkem Wind wird sie erodiert und verliert Substanz und Nährstoffe. Neben dem Schutz dient eine Abdeckung mit Pflanzenrückständen auch als kontinuierliche Quelle frischer organischer Substanz für die Bodenoberfläche, mildert die Bodentemperatur und verringert die Verdunstung. 

 

Die Vorteile, die sich aus der Oberflächenbedeckung ergeben, können sogar noch größer sein als die, die sich aus der Erhöhung der gesamten organischen Substanz im Bodenprofil ergeben, wie sie durch das Einarbeiten mit dem Pflug geschieht. In einem Test verbesserte die Erhöhung der gesamten organischen Substanz die Wasserinfiltration um 27 Prozent, eine Konzentration der organischen Substanz an der Oberfläche verbesserte jedoch die Wasserinfiltration um fast 300 Prozent. Wenn die Bodenbearbeitung entfällt, entwickelt der Boden unter der Oberfläche eine Struktur, die Makro- und Mikroporen für die Wasserbewegung bietet. Zugleich wird der Boden widerstandsfähiger gegen Verdichtung.