Wie lief die Wiedergenehmigung von Glyphosat in der EU ab?

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Wie jeder andere Pflanzenschutzmittel-Wirkstoff wird Glyphosat in der EU-Wirkstoffprüfung regelmäßig einer Neubewertung unterzogen. Hier werden Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier, für die Umwelt sowie die Wirksamkeit überprüft. Im Dezember 2023 hat die EU-Kommission die Genehmigung für Glyphosat um zehn Jahre, bis zum 15. Dezember 2033, verlängert. Dieser Entscheidung ging eine umfassende wissenschaftliche Bewertung des Wirkstoffs durch die zuständigen EU-Behörden und -Mitgliedstaaten voraus.

Im Jahr 2017 erteilte die Europäische Kommission eine fünfjährige Genehmigung für den Wirkstoff Glyphosat, der nach einer weiteren einjährigen Verlängerung bis zum 15. Dezember 2023 genehmigt war. Berichterstatter für die gemeinschaftlichen Prüfungen und Bewertungen war damals die Bundesrepublik Deutschland.

 

Zusätzlich müssen glyphosatbasierte Produkte von den nationalen Behörden der EU-Mitgliedstaaten einer Sicherheitsprüfung unterzogen und in den einzelnen Ländern zugelassen werden. Erst dann können sie in der Praxis, beispielsweise in der Landwirtschaft, eingesetzt werden.

 

Antragsteller für das jüngste Genehmigungsverfahren war die Glyphosate Renewal Group (GRG), ein Zusammenschluss von Unternehmen, darunter Bayer, mit dem Ziel einer Erneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat in der Europäischen Union. 

 

Die Aufgabe als „Berichterstatter“ und Prüfer übertrug die EU-Kommission aufgrund der zu erwartenden umfangreichen Antragsunterlagen auf gleich vier Mitgliedstaaten: Frankreich, Ungarn, die Niederlande und Schweden. Sie bildeten die Bewertungsgruppe für Glyphosat (Assessment Group on Glyphosate – AGG). Diese erstellten die Neubewertung als Basis für die nachfolgenden Konsultationen und Entscheidungen auf EU-Ebene.

 

Am 12. Dezember 2019 reichte die Glyphosate Renewal Group bei der AGG, bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), der Europäischen Kommission und bei allen anderen EU-Mitgliedstaaten einen Antrag auf Wiedergenehmigung von Glyphosat ein. Die Antragsfrist endete am 15. Dezember 2019, drei Jahre vor Ablauf der damals gültigen Glyphosat-Genehmigung am 15. Dezember 2022.

 

Der Antrag berücksichtigte Informationen zu zahlreichen neuen sowie noch laufenden Studien und ist im Internet einsehbar. 

 

Nach ihrer Prüfung forderte die AGG einige Änderungen im Antragsdokument. Entsprechend legten die Antragsteller jedem der vier AGG-Mitgliedstaaten am 23. Januar 2020 einen gemäß den Vorgaben der AGG überarbeiteten Antrag vor, der ebenfalls auf der Website der GRG verfügbar ist.

 

Zusätzlich zum Antrag auf Wiedergenehmigung reichte die GRG bei der AGG am 8. Juni 2020 ein Wissenschaftsdossier zur Bewertung der Sicherheit von Glyphosat ein. 

 

Dieses Dossier enthielt sämtliche regulatorischen Dokumente und wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die in der Europäischen Pestizidverordnung für die Wiedergenehmigung von Glyphosat gefordert werden. Es ist mit über 180.000 Seiten das umfangreichste Dossier, das jemals eingereicht wurde und ist ebenfalls im Internet abrufbar. Das Dossier enthält über 1.500 Studien, darunter mehr als 100 neue Studien, sowie die Bewertung von über 12.000 wissenschaftlichen Artikeln im Hinblick auf Relevanz und Verlässlichkeit der präsentierten Daten. 

 

Am 18. August 2020 bestätigten die AGG-Mitgliedstaaten die Vollständigkeit und Zulässigkeit des Dossiers.

 

Zehn Monate später, am 15. Juni 2021, erreichte der Wiedergenehmigungsprozess einen weiteren wichtigen Zwischenschritt: Die Prüfbehörden aus Frankreich, Schweden, Ungarn und den Niederlanden veröffentlichten die Zusammenfassung ihres rund 11.000 Seiten umfassenden Entwurfs des Bewertungsberichts (draft Renewal Assessment Report – dRAR). Die wichtigste Kernaussage: Glyphosat erfüllte die Kriterien für eine erneute Genehmigung in der EU.

 

Das heißt zugleich: Glyphosat ist aus Sicht der AGG nicht krebserregend und nicht erbgutverändernd. Es sei „kein akutes oder chronisches Risiko für den Verbraucher durch die Behandlung von Nutzpflanzen mit Glyphosat zu erwarten“, schrieben die Experten zusammenfassend.

 

Im Anschluss begannen die EFSA und die Europäische Chemikalienagentur ECHA mit der Prüfung der Ergebnisse und organisierten parallele Konsultationen zum Berichtsentwurf. Die öffentlichen Konsultationen zum dRAR und zum Bericht über die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung (CLH) zu Glyphosat begannen am 23. September und endeten am 22. November 2021. Sie stellten wichtige Schritte im Bewertungsprozess dar. Interessenten hatten 60 Tage Zeit, um ihre Kommentare zu übermitteln. Insgesamt gab es während der beiden Konsultationen 416 Einreichungen. Diese sind zusammen mit Statistiken auf den Internetseiten von EFSA und ECHA öffentlich zugänglich.

 

Am 10. Mai 2022 gaben EFSA und ECHA die aktualisierten Zeitpläne für ihre Bewertungen bekannt. Im Rahmen der durchgeführten Konsultationen zu den Entwürfen der Bewertungen von Glyphosat gingen mehr Kommentare ein als jemals zuvor, was das große Interesse an dieser Substanz belegt. Durch die im Rahmen der Konsultationen eingegangenen Beiträge sowie die Antworten, die die EFSA von der Antragstellerin, der Glyphosate Renewal Group, auf ihr Ersuchen um zusätzliche Informationen erhielt, wurde das Dossier, das bereits weitaus mehr wissenschaftliche Daten enthielt, als normalerweise für derartige Bewertungen zur Verfügung stehen, um eine erhebliche Menge an Informationen ergänzt.

 

Am 30. Mai 2022 bestätigte der Ausschuss für Risikobewertung (RAC) der ECHA die aktuelle Einstufung von Glyphosat als schwere Augenschädigungen verursachend und für Wasserorganismen giftig. Darüber hinaus stellte der Ausschuss fest, dass auf Basis der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse die Kriterien für die Einstufung von Glyphosat als krebserregende, mutagene oder reproduktionstoxische Substanz nicht erfüllt sind.

 

Die verabschiedete Entscheidung wurde auf der Website der ECHA veröffentlicht und Anfang Juli 2022 an die Europäische Kommission und die EFSA übermittelt.

 

Am 30. September 2022 reichte die AGG den aktualisierten Renewal Assessment Report (RAR) bei der EFSA ein. Für den überarbeiteten Bericht berücksichtigte die AGG zusätzliche Informationen, die durch Konsultationen mit der Öffentlichkeit und mit den Mitgliedstaaten gesammelt wurden, einschließlich zusätzlicher Daten, die von der Antragstellerin (GRG) eingereicht wurden.

 

Am 14. Oktober 2022 stimmten Vertreter der EU-Mitgliedstaaten im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (SCoPAFF) über die Verlängerung der Glyphosat-Genehmigung um ein Jahr ab, da die Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat in Europa am 15. Dezember 2022 abgelaufen wäre.

 

Eine qualifizierte Mehrheit (55 Prozent der Mitgliedstaaten, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren) wurde weder dafür noch dagegen erreicht. Die Kommission überwies daher den Verordnungsentwurf zur weiteren Beratung an den Berufungsausschuss. Am 15. November 2022 stimmten dort Vertreter der EU-Mitgliedstaaten erneut über die vorübergehende Verlängerung der Glyphosat-Genehmigung um ein Jahr ab, und wieder gab es unter den Mitgliedstaaten keine ausreichende Mehrheit dafür oder dagegen.

 

Am 2. Dezember 2022 erließ die Europäische Kommission gemäß EU-Recht die Durchführungsverordnung (EU) 2022/2364, mit der die Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat um ein Jahr bis zum 15. Dezember 2023 verlängert wurde.

 

Im November und Dezember 2022 hat die EFSA die Peer-Review-Sitzungen zu Pestiziden mit den Sachverständigen der Mitgliedstaaten abgehalten (die Protokolle der Sitzungen sind öffentlich zugänglich: Plant Protecton Products and their Residues / EFSA (europe.eu)).

 

Am 6. Juli 2023 informierte die EFSA die GRG, die Mitgliedstaaten und die EU-Kommission über die Schlussfolgerungen ihrer Risikobewertung zur Erneuerung der EU-Genehmigung von Glyphosat. Bei ihrer Bewertung der Auswirkungen von Glyphosat auf die Gesundheit von Mensch und Tier sowie auf die Umwelt hatte sie keine kritischen Problembereiche festgestellt.

 

Nach umfassender wissenschaftlicher Prüfung kam die EFSA zu dem Schluss, dass der Wirkstoff Glyphosat alle erforderlichen Kriterien für eine erneute Genehmigung gemäß der europäischen Pflanzenschutzgesetzgebung erfüllt. Die vollständige Risikobewertung wurde am 26. Juli 2023 auf der EFSA-Website veröffentlicht

 

Die Schlussfolgerungen der EFSA waren ein wesentlicher Schritt im Verfahren der Erneuerung der Genehmigung von Glyphosat, da sie den Abschluss der behördlichen Risikobewertung darstellen. 

 

Am 20. September 2023 schlug die EU-Kommission den Mitgliedstaaten vor, die am 15. Dezember 2023 auslaufende Genehmigung von Glyphosat um weitere 10 Jahre zu verlängern. Dieser Vorschlag wurde am 22. September im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF) diskutiert. 

 

Die Abstimmung über den Vorschlag der EU-Kommission fand am 13. Oktober statt. Obwohl eine deutliche Mehrheit der Mitgliedstaaten – 18 von 27 – für die Verlängerung der EU-Genehmigung stimmte, wurde die erforderliche qualifizierte Mehrheit nicht erreicht. Eine qualifizierte Mehrheit ist dann erreicht, wenn eine Mehrheit von 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, für oder gegen den Kommissionsvorschlag stimmt.

 

Drei Länder (Kroatien, Luxemburg und Österreich) stimmten gegen den Vorschlag, sechs Länder, darunter Deutschland und Frankreich, enthielten sich. Informationen zum offiziellen Abstimmungsergebnis sowie der Vorschlag bzw. Verordnungsentwurf sind auf den Internetseiten der EU-Kommission zu finden.

 

Der Kommissionsvorschlag wurde daraufhin wieder an den Berufungsausschuss verwiesen, der sich ebenfalls aus Vertretern aller EU-Länder zusammensetzt und am 16. November 2023 tagte. Auch dieser Ausschuss konnte weder für noch gegen den Vorschlag eine qualifizierte Mehrheit erreichen, auch wenn erneut eine große Mehrheit der Staaten dafür stimmte.  Somit traf die Kommission gemäß EU-Recht die Entscheidung für eine Wiedergenehmigung.

 

Die entsprechende Durchführungsverordnung zur Erneuerung der Genehmigung von Glyphosat für weitere zehn Jahre wurde am 29. November im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Dieser Schritt vervollständigte die umfassende wissenschaftliche Bewertung des Wirkstoffs durch die zuständigen EU-Behörden und -Mitgliedstaaten in den vergangenen Jahren. Die erneuerte Wirkstoffgenehmigung gilt bis zum 15. Dezember 2033. Weitere Informationen sind auf der Website der Europäischen Kommission abrufbar.