Erinnerungskultur

Keine Zukunft ohne Erinnerung

Originalaufnahme von Dr. Hans Finkelstein im Gespräch mit Kollegen. Laboransicht aus dem Werk Uerdingen, 1932.

Als verantwortungsbewusstes Unternehmen möchte Bayer zur Widerstandsfähigkeit gegenüber Antisemitismus und anderen totalitären Ideologien beitragen, damit sich die Geschichte nicht wiederholt – heute und in Zukunft. Deshalb fördern wir umfangreiche Initiativen zur Erforschung und Aufarbeitung der Zeit der I.G. Farben. Indem wir uns bewusst mit unserer Rolle im Laufe der Geschichte auseinandersetzen, erarbeiten wir uns als Teil der globalen Gesellschaft einen ethischen Rahmen. Wir möchten eine Unternehmenskultur stärken, die unseren Werten und Prinzipien entspricht.

1925 schlossen sich sechs deutsche Unternehmen zur Interessengemeinschaft Farbenindustrie AG, oder kurz: I.G. Farben, zusammen. Die Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co gehörten zu den Gründungsmitgliedern. Die heutige Bayer AG ging 1952 aus der I.G. Farben hervor.

 

Die Frage eines verantwortungsbewussten Umgangs mit der eigenen Vergangenheit bleibt jederzeit aktuell. Deswegen leistet Bayer einen Beitrag zu einer neuen Erinnerungskultur innerhalb des Unternehmens – und darüber hinaus. Mehrere Initiativen fördern heute die Erforschung und Aufarbeitung der Aktivitäten der I.G. Farben während des Zweiten Weltkriegs.

Erinnerung, Forschung und Widerstand

 

Um die Arbeit von Bayer zu den Themen Erinnerung, Forschung und Widerstand voranzubringen, hat das Unternehmen 2023 die Hans und Berthold Finkelstein Stiftung gGmbH gegründet.

Portrait of Matthias Berninger in Leverkusen.
Indem wir die Stiftung etablieren und die Geschichte der Finkelsteins würdigen, erinnern wir uns an die Vergangenheit, reflektieren bekannte und unbekannte Gräueltaten der I.G. Farben und erhalten die Erinnerung aufrecht, um dafür zu sorgen, dass so etwas in Zukunft nie wieder passiert. Dies ist auch ein Beitrag zum Kampf für die Freiheit und Meinungsvielfalt."
Matthias Berninger
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Leiter Public Affairs, Science, Sustainability & HSE bei Bayer

Die „Hans und Berthold Finkelstein Stiftung" basiert auf drei miteinander in Verbindung stehenden Säulen:

Die Stiftung will sich mit dem Erbe der I.G. Farben auseinandersetzen und dabei auch betrachten, wie Bayer seit dem Zweiten Weltkrieg mit seiner Vergangenheit umgegangen ist.

Die Stiftung will dazu beitragen, Forschungslücken bezüglich der Rolle von Unternehmen zur Zeit des nationalsozialistischen Regimes zu schließen und die Geschichten von Opfern erzählen.

Die Stiftung will den Widerstand gegenüber Hassideologien, Totalitarismus, Tyrannei und anderen Menschenrechtsverletzungen stärken – in der Gegenwart und in Zukunft.

Die Stiftung wird die Arbeit zur Erinnerungskultur und Erforschung des während des Nazi-Regimes erfolgten Unrechts im Auftrag von Bayer steuern. Dabei geht es vor allem um Zwangsarbeit bei der I.G. Farben. Sie wird unabhängige Forschung finanzieren, eine durch Erinnerung geprägte Unternehmenskultur bei Bayer fördern, Programme für verantwortungsbewusste Führung entwickeln und dialogorientierte Projekte vorantreiben, um die Widerstandsfähigkeit gegenüber Hassideologien, Totalitarismus und Tyrannei zu stärken.

Annette Schavan, ehemalige Bundesministerin für Forschung und langjähriges Mitglied des Deutschen Bundestags, wurde zur Vorsitzenden des Beirats ernannt. Seit 2019 ist Schavan zudem Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung EVZ.

Portrait von Annette Schavan
Mit der Hans und Berthold Finkelstein Stiftung trägt Bayer aktiv zur Erinnerungskultur bei. Die Geschichte der Familie hat mich tief bewegt und es ist mir eine Ehre, an dem wichtigen Unterfangen der Stiftung und der Würdigung des Erbes der Finkelsteins beteiligt zu sein.“
Annette Schavan
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ehemalige Bundesministerin für Forschung und langjähriges Mitglied des Deutschen Bundestags, Foto: Laurence Chaperon © Annette Schavan
Originalaufnahme von Dr. Hans Finkelstein im Gespräch mit Kollegen. Laboransicht aus dem Werk Uerdingen, 1932. Portrait von Berthold Finkelstein
Linkes Bild: Dr. Hans Finkelstein (l.) im Gespräch mit Kollegen. Laboransicht aus dem Werk Uerdingen, 1932. Foto: Bayer AG, Bayer Archive Leverkusen
Rechtes Bild: Hans Finkelsteins Sohn Berthold Finkelstein leitete bis 1996 das Gustav-Stresemann-Institut. Foto: © Gustav-Stresemann-Institut e.V.

Die neue Stiftung wurde nach Hans und Berthold Finkelstein benannt, deren Leben beispielhaft die furchtbaren Konsequenzen des Dritten Reiches widerspiegeln. Ihre Geschichte trat durch Forschungsaktivitäten in den Bayer Archiven zutage. Dr. Hans Finkelstein, Erfinder der sogenannten Finkelstein-Reaktion, war Forschungsleiter bei dem vormals eigenständigen Unternehmen „Chemische Fabriken vorm. Weiler – ter Meer“ in Uerdingen, das später in der I.G. Farben aufging. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und dem Inkrafttreten der „Nürnberger Rassengesetze“ musste er 1938 das Unternehmen verlassen und nahm sich anschließend das Leben. Sein Sohn Berthold leistete später im selben Betrieb Zwangsarbeit.

 

Die Finkelstein-Geschichte

 

Weitere Informationen zur Stiftung folgen in Kürze.

 

Erinnerungsort für die Opfer von Zwangsarbeit an den Niederrheinstandorten der I.G. Farben

BAG Memorial
Erinnerungsort für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter der I.G. Farben an den Niederrheinstandorten neben dem Hauptsitz der Bayer AG in Leverkusen. © Marcus Mueller Saran

 

Um eine von Erinnerung und Reflektion geprägte Unternehmenskultur zu verankern, hat Bayer neben seinem Hauptsitz in Leverkusen einen Erinnerungsort zum Gedenken an die Opfer von Zwangsarbeit bei der I.G. Farben während des Zweiten Weltkriegs errichtet. Er erinnert an rund 16.000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus zahlreichen besetzten Ländern Europas, die an den Niederrheinstandorten eingesetzt wurden, um zwischen 1940 und 1945 die Produktion auszubauen. Nach den vorhandenen Unterlagen waren etwa ein Drittel der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter Frauen. Die meisten Menschen waren bei ihrer Ankunft 17-23 Jahre. Die Jüngsten waren noch Kinder.

 

Der Erinnerungsort wurde von einer interdisziplinären Gruppe von Künstlern und Designern unter der Leitung von Prof. Jussi Ängeslevä von ART+COM Studios entworfen und gebaut. Das Ziel bestand darin, eine physische und künstlerische Interpretation von Originaldaten mit Informationen über die rund 16.000 Menschen aus den Bayer Archiven zu schaffen. Der Erinnerungsort soll mitten im Herzen des Unternehmens in Leverkusen eine individuelle Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ermöglichen. 

 

Die am Computer entworfene Skulptur aus Holz, Stahl und lebenden Pflanzen wurde bewusst so gestaltet, dass sie sich im Laufe der Zeit durch die Kräfte der Natur verändern wird. So soll sie Mitarbeitende und Besuchende daran erinnern, dass die Vergangenheit bei jedem Gedanken an die Zukunft eine Rolle spielen muss. Die physische Installation wird durch eine standortspezifische mobile App ergänzt, die dabei hilft, ihre einzigartige Form zu entschlüsseln und einen Eindruck von verschiedenen Daten zu gewinnen: darunter Herkünfte und demografische Details. Zudem werden Personalunterlagen zu 26 Zwangsarbeitenden der I.G. Farben wörtlich zitiert. Der Blick auf die Beispiele lässt ihre Schicksale erahnen und macht die Sicht der Verantwortlichen deutlich.

BAG Memorial
Der Erinnerungsort wurde im Mai 2023 eingeweiht. Unter den Gästen befanden sich unter anderem Werner Baumann, Uwe Richrath, Oberbürgermeister der Stadt Leverkusen, Johannes Finkelstein und Vertreter des Betriebsrates von Bayer. © Marcus Mueller Saran
Heike Hausfeld
„Die Erinnerung an das Unrecht, das den rund 16.000 Menschen an den Niederrheinstandorten widerfahren ist, muss unsere moralische Aufmerksamkeit prägen. Sie kann einen ethischen Rahmen für unsere heutigen und künftigen Entscheidungen setzen.“
Heike Hausfeld
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Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Bayer AG, bei der Einweihung am 8. Mai 2023.

Unterstützung des "Pears Jüdischer Campus" in Berlin

 

Um Jüdisches Leben in Deutschland aktiv zu fördern und das Erbe von Dr. Hans Finkelstein in der Erinnerungskultur des Unternehmens zu verankern, sponserte Bayer drei Schülerlabore im Hans-Finkelstein-Flügel am "Pears Jüdischer Campus" Berlin.

Oliver Renner, Head of Communications Bayer Pharmaceuticals, Matthias Berninger, Head of Public Affairs, Science, Sustainability & HSE at Bayer, the former Bayer CEO Werner Baumann and rabbi Yehuda Teichtal, Chairman of the Chabad community and initiator of the project during the opening of the "Pears Jewish Campus" on June 25 in Berlin
Oliver Renner, Leiter Communications Bayer Pharmaceuticals, Matthias Berninger, Leiter Public Affairs, Science, Sustainability & HSE bei Bayer, der ehemalige Bayer Vorstandsvorsitzende Werner Baumann und Rabbiner Yehuda Teichtal, Vorsitzender der Chabad-Gemeinde und Initiator des Projektes während der Eröffnung des „Pears Jüdischer Campus“ am 25. Juni 2023 in Berlin. © Max Mordinson

 

Nach vier Jahren Bauzeit wurde im Juni 2023 der Jüdische Campus (PJC) in Berlin eingeweiht. Der 8.000 Quadratmeter große religionsübergreifende Campus basiert auf drei Säulen: Bildung, Kultur und Sport. Zum Bereich Bildung zählen nun auch die wissenschaftlichen Bayer Labore, die Schüler*innen in einem modernen Umfeld den Chemieunterricht ermöglichen sollen.

A memorial board for Dr. Hans Finkelstein
Gedenktafel für Dr. Hans Finkelstein vor einem der wissenschaftlichen Bayer-Labore im Hans-Finkelstein-Flügel. © Max Mordinson

 

Über die finanzielle Unterstützung hinaus werden Bayer und der Campus eine langfristige ideelle Partnerschaft eingehen: Bayer-Wissenschaftler*innen werden weitere pädagogische Formate entwickeln, um Schüler*innen Wissenschaft näherzubringen.

 

Benannt wurde der Gebäudeflügel wie auch die von Bayer gegründete Hans und Berthold Finkelstein Stiftung gGmbH nach Dr. Hans Finkelstein. 

Offene Türen ins Unternehmensarchiv

 

Die Abteilung Heritage Communications – das historische Archiv von Bayer – steht interessierten Wissenschaftler*innen seit den 1960er Jahren offen. Die ersten Untersuchungen zur Rolle von Industrieunternehmen während des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs, bei denen auf Dokumente aus dem Bayer Archiv zurückgegriffen wurde, wurden 1972 veröffentlicht. Seitdem sind auf Grundlage von Dokumenten aus dem Bayer Archiv zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten entstanden, die sich mit einer Vielzahl von Aspekten der Unternehmensgeschichte befassen –vor allem mit der Zeit der I.G. Farbenindustrie AG.

 

Unternehmensarchiv von Bayer